Am 1. Oktober 2016 war ich im Rahmen meiner Geomantieausbildung bei Natura Naturans am Wolfgangsee in Österreich und als Gruppe begaben wir uns von Fürberg aus auf den St. Wolfgang Pilgerweg. Unser Ausbilder bat mich und einen weiteren Teilnehmer mit gesundheitlichen Problemen, voraus zu gehen, damit wir einen zeitlichen Vorsprung hätten und den Weg in unserem Tempo gehen könnten. Am See entlang begann unser Weg und an einem Abzweig sollten wir vor dem Beginn der Steigung uns einen Stein mitnehmen, in diesen alles legen, was uns im Alltag belastet, ihn nach oben tragen und am Kalvarienberg absetzen. Zu Beginn der Steigung auf den Schäferberg befand sich die erste Kreuzwegsetappe. 14 Stationen sollten es insgesamt sein, bei der 12. Station handelt es sich um den Kalvarienberg. Wir stiegen also an und ich hatte, wohlwissend um einen chronisch schmerzenden Rücken, meine lädierten Gelenke und meinen jüngst aufgetretenen Fersensporn nach dem Frühstück 150mg Diclofenac retard eingenommen, sicher, damit den Tag fast schmerzfrei überstehen zu können.

Die ersten Meter legte ich mühelos zurück, mir der einzelnen Stationen des Kreuzweges bewusst werdend. Doch die Steigung nahm immer mehr zu, der Weg wurde immer steiler und mit jedem zurückgelegten Höhenmeter wurde mein Atem kürzer, das Herz schlug schneller und der Rücken, die Beine und die Füße taten mir zunehmend weh. Mein Mitläufer blieb ein Stück hinter mir, zum Teil überholten uns bereits andere Teilnehmer und ich versuchte festzustellen, welche Station ich gerade passiert hatte. Ich fand aber die entsprechende Ziffer nicht, sah nur das Bild und hatte das Gefühl, schnell weiter zu müssen. Ich fühlte mich getrieben von einem inneren Zwang, nicht stehen zu bleiben, sondern diesen Weg immer weiter fort zu setzen. Ich hatte Angst, den Weg nicht zu schaffen, wenn ich eine Pause machte, Angst, meine Gefährten zu verlieren, Angst, allein und verlassen zurückzubleiben, Angst vor – ich weiß nicht was. Die Schmerzen wurden immer stärker, ich hatte noch ein weiteres Schmerzmittel im Rucksack, doch das fiel mir in diesem Moment nicht ein. Hilflos war ich meinen Schmerzen ausgeliefert. An einer Station war Christus dargestellt, der unter der Last seines Kreuzes fast zusammenbrach, genauso fühlte ich mich auch gerade. Jemand bat mich, doch mal eine Pause zu machen und etwas zu trinken, doch ich japste nur, dass ich weitergehen müsse, er mir aber er mir helfen könne, in dem er mir sagte, an welcher Station wir uns befänden. Es war die 8. Station. Oder war es die 9.? Nach nur wenigen Schritten wusste ich seine Antwort nicht mehr! Ich verlor mehr und mehr die Orientierung, wusste nur, dass ich dem Weg folgen mußte. Am Kalvarienberg sah ich zwei Teilnehmerinnen unserer Ausbildung sitzen, ich wusste nicht mehr, dass wir dort warten sollten! Die umherliegenden Steine erinnerten mich daran, auch meinen Stein abzulegen, was ich im Vorbeigehen tat. Mich zog es weiter und weiter, obwohl ich am Ende meiner Kräfte war. Ich litt unter den Hauptsymptomen, die bei meinen sterbenden Patienten auftreten, ich hatte Angst, Schmerzen, Atemnot und war nicht mehr ganz orientiert, nicht mehr hundert Prozent wach und klar und in die irdischen Dimensionen von Zeit und Raum eingebunden, hatte Gedächtnislücken und konnte nicht mehr logisch denken.

Nach der 12. oder 13. Station (soweit ich es nachvollziehen kann), geschah etwas Wunderbares: Der Weg machte eine Biegung, war bedeutend weniger steil und am Ende der Biegung sah ich ein kreisrundes, strahlendes Licht auf mich zukommen bzw. ich wanderte in es hinein. Ich spürte keine Schmerzen mehr, Herzschlag und Atmung wurden immer ruhiger, normalisierten sich mit jedem Schritt und mein Körper fühlte sich immer leichter an. Ich wusste, dass ich kurz vor dem Ziel war, dass es die liebe Sonne war, in die ich schaute und dass dieser Pilgerweg ganz meisterlich angelegt war, den er war nicht nur der Weg zur kleinen Wallfahrtskirche an der Eremitenhöhle des Hl.Wolfgang, sondern auch ein Weg der Erneuerung und der Vorbereitung auf die Reise in das göttliche Licht, die die Seele in der Vorstellung so vieler Kulturen und Religionen nach dem Tode antritt. Oben angekommen, nahm ich mit meinen Weggefährten Platz und wir wähnten uns im Paradies, wo die Vöglein zwitscherten, die Bäume im Wind flüsterten und ansonsten eine selige Ruhe und ein großer Frieden herrschte.

Die Gruppe sammelte sich, wir machten Rituale und geomantische Übungen in der Kapelle und an der heiligen Quelle und dann hieß es, dass wir nun noch zum Kopfwehstein gingen und zum Wunschstein und dann auf anderem Wege zurück. Ich glaubte, die Strapazen des Weges hinter mir zu haben. Zu den nächsten Etappen ging es immer steiler werdend bergauf und als wir nach dem Wunschstein über Stock und Stein zu einer Aussischtshöhe anstiegen und ich fluchte, weil ich nicht den einfachen Abstieg nach St. Wolfgang zur Fähre nach Fürberg oder notfalls zum nächsten Taxistand gewählt hatte. Oben angekommen mit dem schönsten Blick auf den See und die umliegenden Berge, den man sich denken kann, wähnte ich mich in paradiesischen Gefilden.

Den Weg zurück ging ich ab dem Wunschstein nicht allein. Eine Kursteilnehmerin begleitete mich engelsgleich und versprach mir, mich den Weg nicht allein gehen zu lassen, egal, wie viel Zeit ich dafür bräuchte! Gemeinsam schafften wir den Rückweg problemlos und wie man sehen und lesen kann, bin ich heil und zu allen Qualitäten orientiert wieder zurück gekehrt.